Einzelbericht

24h Rennen Spa 2022

„Es war das wohl härteste 24-Stunden-Rennen meines Lebens“ Verletzung beim Team LRP Poland hat Folgen: Motorrad-Rennfahrer Dominik Vincon aus Knittlingen muss auf der Strecke in Spa außerordentlich viel Einsatz zeigen. In einer dramatischen Schlussphase fährt er mit der BMW-Maschine auf einen starken zehnten Platz. Spa. Als das Feld nach dem zweistündigen Rennabbruch wieder auf die Strecke zurückkehrt und hinter dem Safety Car herfährt, glaubt keiner mehr so richtig daran, dass es noch einmal grünes Licht gibt. Auf nassem Untergrund hatte es am Morgen schon Unfälle gegeben, die 24 Stunden von Spa sind so gut wie voll. Dann, wenige Minuten vor Schluss, erfolgt doch noch die Freigabe. Der Knittlinger Dominik Vincon vom Team LRP Poland ist Neunter, knapp dahinter wittert Nico Thöni (Team Bolliger Switzerland #8) noch die Chance, vorbeizukommen – und schafft das schließlich, weil er beim Überrunden auf einer langen Gerade das bessere Momentum erwischt. Minutenlang liefern sich die beiden Kontrahenten davor ein spannendes Duell mit grenzwertigen Überholmanövern. „Schade, wir hatten vor dem Rennabbruch knapp 30 Sekunden Vorsprung, aber das ist in der Langstrecken-Weltmeisterschaft einfach manchmal so“, gibt sich Vincon geschlagen, „das war ein Tanz auf Messers Schneide.“ Das gilt nicht nur für die Auseinandersetzung am Ende. „Es war wohl das härteste 24-Stunden-Rennen meines Lebens“, blickt der Motorsportler am Pfingstmontag auf das zweite Treffen der diesjährigen Endurance World Championship (EWC) auf dem belgischen Circuit Spa-Francorchamps zurück, wo er sich über viel Unterstützung von Bekannten und Verwandten am Streckenrand freute. Team-Chef Bartlomiej Lewandowski war in der Qualifikation gestürzt und hatte sich schwere Prellungen zugezogen – und somit mussten Vincon und Pepijn Bijsterbosch (Niederlande) fast das gesamte Rennen der hochklassigsten Serie der Fédération Internationale de Motocyclisme (FIM) zu zweit anstatt zu dritt absolvieren. Bemühungen, noch einen Ersatzfahrer zu aktivieren, waren fehlgeschlagen. „Das hat mich am Abend vor dem Rennen mental stark gefordert“, berichtet Vincon, der insofern mit dem zehnten Platz im Gesamtfeld und dem neunter in der EWC-Wertung zufrieden ist. Dafür hätten er und sein niederländischer Kollege zwischen Samstag- und Sonntagnachmittag jeweils rund zehn Stunden auf dem anspruchsvollen Kurs, der auch als Ardennen-Achterbahn bezeichnet wird, verbracht und alles aus sich herausgeholt. „Wenn man zu dritt ist dann sind die Pausen deutlich länger“, erklärt der 30-Jährige, der zwischen seinen etwa einstündigen Einsätzen nur jeweils rund eine Viertelstunde Zeit für die Erholung hatte. Die restliche Zeit gehe meist für Teambesprechungen und anderes drauf. „Ich selbst war sehr enttäuscht im Rennen nur bedingt fahren zu können. Riesendank dafür, dass ihr unsere Maschine ans Limit gebracht habt“, lobte Team-Chef Lewandowski, der die BMW S 1000 RR K 67 verletzungsbedingt nur rund zwei Stunden fuhr, Vincon und Bijsterbosch. Vom Ergebnis des kompletten Teams und vor allem der Teamkollegen sei er besonders beeindruckt und zufrieden. Dauerhaft an die körperlichen Grenzen zu gehen, das schaffte der Knittlinger trotz des harten Trainings in den Wintermonaten nicht. „Wegen der kurzen Pausen mussten wir unsere Energie etwas einteilen“, sagt er, „das war letztlich auch der Schlüssel, dass wir so gut durchgekommen sind.“ Eine weitere Komponente sei gewesen, dass die Technik an der markant gelbfarbenen Maschine nahezu keine Probleme gemacht habe. „Der Motor und vor allem die Elektronik, mit der wir im vergangenen Jahr noch massiv Probleme hatten, haben gehalten.“ In der EWC-Wertung steht die polnische Truppe um den Knittlinger nach dem zweiten Wettstreit auf dem siebten Platz, beim nächsten Termin am siebten August im japanischen Suzuka wird das Trio aber nicht an den Start gehen. „Die Frachtkosten sind in letzter Zeit explodiert“, erklärt Dominik Vincon den Verzicht, Team-Chef Lewandowski wolle die Mittel lieber in das Material oder in Tests stecken – zumal es wegen vieler japanischer Werksteams bei dem Acht-Stunden-Rennen ohnehin schwer sei, die Punkteränge zu erreichen. „Ich wäre gerne dabei gewesen, kann die Entscheidung aber natürlich nachvollziehen.“ Der Fokus richtet sich demnach auf den Bol d‘Or, der am 17. und 18. September geplant ist und den Saisonabschluss markiert. „Bis dahin werde ich viel Sport machen“, verspricht der Knittlinger, außerdem habe er eine neue berufliche Herausforderung angenommen: Bei der Porsche AG, wo er bislang in der Produktion tätig war, tritt der 30-Jährige dieser Tage eine Ingenieursstelle in der Qualitätslenkung an. „Ich bin sehr dankbar, dass das geklappt hat“, sagt Vincon, der einen Bachelor of Engineering im Bereich Mechatronik in der Tasche hat. Dem Rennsport stehe die berufliche Neuausrichtung nicht im Weg.

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